Gymnasium G8 3/4

Es ist mal wieder Sommer und das Schulsystem wird mal wieder geändert. Das heißt, geändert wird es eigentlich nicht, es wird nur noch ungenauer. Eher nach der Variante (freies zitiert nach SZ vom 28.7.16):

“Entscheidet ihr Schulen doch selbst, was ihr umsetzen wollt – G8 oder G9, das ist euer Problem. Und kommt nicht und erwartet Unterstützung, die wird es nicht geben. Ach ja, und der Lehrplan (eigentlich LehrplanPLUS) und die Oberstufe müssen so bleiben.”

Und wenn man dann hört, wie das in manchen Schulen läuft, kommt mir das kalte Grausen. Da werden Schüler die eigentlich ein passables Zeugnis haben und in die 11. Klasse gehen dürfen einfach nochmal in die reguläre 10. Klasse gesteckt, weil sie sich für den G9 Zug entschieden haben. Lerneffekt gleich Null. Die Entscheidung für den G9-Zweig wird dann als Bestrafung gesehen. Was soll das?

Es wäre doch so einfach etwas sinnvolles mit dem zusätzlichen Jahr anzufangen!

Denn das Hauptproblem stellt sich mir, der sowohl G9 als auch G8 unterrichtet hat, wie folgt dar: Es gibt Schüler, die gehören nicht in die 11. und 12. Klasse. Sie haben nicht den Ehrgeiz, das Sitzfleisch, die Reife, den Berufswunsch oder was auch immer. Aber sie gehören nicht dorthin. Um aber eine vernünftige Lehre absolvieren zu können oder auf die FOS zu wechseln, benötigen sie den Realschulabschluss. Was passiert also? Sie bestehen irgendwie die 10. Klasse, haben damit den Realschulabschluss, aber statt wie mit ihnen teilweise besprochen, wechseln sie dann nicht in die Lehre oder gehen auf die FOS, sondern machen am Gymnasium weiter. Sie haben ja die Zulassung bekommen. Und warum sollte sie auch das vertraute Umfeld verlassen.

Die 11. Klasse macht den Unterschied

Und genau das war am G9 besser. Es gab die 11. Klasse. Hier wurde anspruchsvoll unterrichtet, die Schüler lernten in Hausarbeiten, wie man eine Facharbeit (heute Seminararbeit) schreibt. Der Sprachenunterricht war auf einmal ganz anders. Es wurde viel mehr Literatur gelesen und sich mit der aktuellen Situation in anderen Ländern auseinander gesetzt. Grammatik pauken und Vokabeln lernen gab es nur vereinzelt und die Schüler hatten Zeit ihre Lücken zu schließen.

Und Sie hatten Zeit sich und ihr Leben auf die Reihe zu kriegen. Denn mal ehrlich, wenn man als junger Erwachsener erstmal die Pubertät halbwegs lebend überstanden hat, braucht man einfach Zeit sich neu zu orientieren, seinem Leben ein erstes vernünftiges Ziel zu geben. Denn das Ziel “Ich bin einfach mal gegen alles, ich habe Pubertät” geht zu diesem Zeitpunkt eher nicht mehr. Und mit dem Realschulabschluss in der Tasche hatten die Schüler das Gefühl, dass sie sich auch nichts kaputt machten. Und bei manchen hat sich dann nach einem halben Jahr herausgestellt, dass er oder sie keine Lust mehr auf Schule hat und lieber eine Lehre erstmal machen möchte. Ein anderer findet für sich heraus, dass er Medizin auf einmal ganz spannend findet, weil seine Freundin bei den Sanitätern ist. Und aus einem 3er Schüler in der 10. Klasse wird auf einmal ein 1er Schüler in der 12. und 13. Klasse.

Eine Lehrkonzept Ideensammlung für eine neue 11. Klasse

Ich möchte jetzt hier keinen Lehrplan vom Zaun brechen, dafür kenne ich alle die beeinflussenden Faktoren wie Lehrerzahl, Stundenzahl, Schülerzahl, … zu wenig. Aber ich möchte ein grobes Konzept, eine Ansammlung von Ideen darstellen, um den neuen G9 Schüler eine 11. Klasse anzubieten, die ihnen auch wirklich was bringt und nicht eine Art Strafwiederholung ist.

  1. Die Seminare werden für die G9 Schüler in diese 11. Klasse gelegt. Und zwar jeweils dreistündig, damit sie genauso viel Zeit haben, wie die G8 Schüler. Rücken Sie in die normale Q11/Q12 Stufe auf entfällt ihnen diese Belastung und sie haben die Chance, die entfallenen 4 Schulstunden in für die anderen Fächern zu nutzen.
    Die Berufsorientierung im P-Seminar wird dabei als eigenständiges Fach behandelt. Vielleicht sogar im Rahmen einer Unterrichtsstunde wie “Glück” oder “Wie gestalte ich mein Leben” oder ähnliches.

    Bei den nun folgenden Ideen tue ich mich schwerer, da es nicht so einfach ist, Fächer wie Englisch, Deutsch oder Mathematik zu unterrichten, ohne im Stoff weiterzumachen.

  2.  In den sprachlichen Fächern würde ich viel lesen und schreiben lassen. Zusammen mit dem mebis-Lernsystem in Bayern können die Schüler dann auch mit Hilfe des Lehrers lernen die eigenen und die Arbeiten der anderen zu bewerten.
  3. Naturwissenschaftliche Fächer (Chemie, Physik, Bio) würde ich versuchen nahezu fächerübergreifend zu unterrichten. Hierzu könnte man beispielsweise entweder auf den Lehrplan  Biophysik zurückgreifen und diesen weiterentwickeln oder ganz was eigenes machen.
  4. In Mathematik würde ich einfach versuchen, so etwas wie angewandte Mathematik zu unterrichten: Graphentheorie, Numerik, Grundlagen der Vektorgeometrie wie in der Realschule,… Wichtig wäre hier nur, dass im Grunde der Stoff der Klassen 7 bis 10 nochmals angesprochen und wiederholt wird.
  5. Allgemein würde ich versuchen viele Projekte von den Schülern realisieren zu lassen, damit diese in eine größere Eigenständigkeit und Selbstverantwortlichkeit kommen. Den Aussagen wie “Herr Bartling, könnten Sie bitte aufhören es zu erklären und einfach nur so aufschreiben, dass wir es auswendig lernen können.”, sind aus meiner Sicht traurig für einen Oberstufenschüler, aber auch ein Zeugnis unseres Bildungssystems, das solche Schüler hervorbringt.

Soweit meine Ideen und Gedankengänge. Ich denke, dass mit engagierten Lehrern, die dann aber auch öfters eine solche 11. Klasse unterrichten dürfen (man möchte sich ja nicht umsonst, was Neues ausgedacht haben; und außerdem klappt beim ersten Mal vieles noch nicht) eine sinnvolle Umsetzung durchaus möglich wäre. Vielleicht finden sich ja gerade erfahrene Lehrer, die darin nochmal eine neue Herausforderung sehen und all ihr Wissen über Lehrpläne, Prüfungen, Didaktiken und Methoden nun hier zusammenlaufen lassen können. Ich zumindest, würde es gerne machen wollen.

Über eine rege, konstruktive Diskussion würde ich mich freuen.

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2 Kommentare

  1. Das Hauptproblem sehe ich auch in der 10. Klasse, mit deren Abschluss man in Bayern sowohl den mittleren Schulabschluss als auch die Oberstufenreife erwirbt. Das müsste man trennen.

    Ich habe selber noch nicht darüber nachgedacht, ob meine Schule G8 oder G9 wird, oder was mir lieber wäre, oder wie man das jeweils sinnvoll umsetzen könnte. Vielleicht habe ich da resigniert, was unseren tatsächlichen Spielraum betrifft. Aber das Verlegen der Seminarbeit gefällt mir sehr gut. Was man da lernt, kann man in 12/13 mehr brauchen als andersherum.
    In Deutsch könnte man mal weg von der Literaturgeschichte und Schreiben als eigene Fertigkeit üben.

    1. Die Trennung von Abschlüssen und Zulassungen ist in meinen Augen auch das ursächliche Problem. Das hat mich schon am G9 gestört, wo es, anders als in anderen Bundesländern, nach dem erfolgreichen Bestehen der 12. Klasse kein Fachabitur gab. Da hatte dann jemand, der zweimal die 13. Klasse bzw. Abitur gerissen hatte, 4 Jahre seines Lebens in den Sand gesetzt.

      Und noch eine Ergänzung zu den Inhalten eine neuen G9 elften Jahrgangsstufe: Warum eigentlich nur an die schwächeren Schüler denken? Man könnte aus dem alten G9 Lehrplan zum Beispiel Themen wie Komplexe Zahlen wieder aufgreifen und anbieten.

      Technische Informatik als neuer Inhalt wäre auch schön. Oder man bietet verpflichtend die Angewandte Informatik für die spachlichen Schüler an. Viele der Inhalte haben ja schon eher allgemeinbildenden Charakter.

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